Gunter Demnig verlegt 39 neue Stolpersteine
Denkmale für Menschen, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt wurden

Am 15. und 16. März 2022 verlegt der Künstler Gunter Demnig an 14 Orten in Köln insgesamt 39 neue Stolpersteine. Stolpersteine sind kleine Denkmale für Menschen, die während der Zeit des Nationalsozialismus aus unterschiedlichen Gründen verfolgt wurden. Sie werden vor den ehemaligen Wohnhäusern verlegt, in denen die Menschen vor ihrer Flucht oder Verhaftung lebten. Damit erinnern sie individuell an das Schicksal der Verfolgten und werfen gleichzeitig Fragen nach Täter- und Mittäterschaft auf.

Die neuen Stolpersteine der aktuellen Verlegung erinnern ausschließlich an Menschen, die während der NS-Zeit als jüdisch verfolgt wurden. Die einzige Ausnahme bildet ein Stolperstein, der am 15. März 2022 nachmittags in Erinnerung an Michael Krath in der Bamberger Straße 16 verlegt wird. Michael Krath war im Widerstand für die KPD aktiv und wurde 1933 wegen angeblicher Vorbereitung zum Hochverrat verurteilt. Nach seiner Entlassung 1935 ging er nach Spanien und schloss sich dort im Spanischen Bürgerkrieg den Internationalen Brigaden gegen den Diktator Francisco Franco an. Im Juli 1937 kam er in der Sierra de Guadarrama in Zentralspanien ums Leben.

Darüber hinaus wird in der Bobstraße ein Abschnitt der Messingspur zum Gedenken an die im Mai 1940 aus Köln deportierten Sinti*ze und Rom*nja verlegt.

Das Projekt der Stolpersteine beruht auf bürgerschaftlichem Engagement. Ein Stein kann dann verlegt werden, wenn Einzelne oder Gruppen eine kostenpflichtige Patenschaft übernehmen. Neben Einzelpersonen, Firmen und Vereinen übernehmen auch mehrere Kölner Schulen regelmäßig Patenschaften für neue Steine.

Die Initiative, einen Stolperstein verlegen zu lassen, geht häufig von Angehörigen und Nachfahren der ehemaligen Kölner Bürger*innen aus. In den meisten Fällen stehen sie bereits seit längerem in Kontakt mit dem NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln und haben mit dessen Unterstützung die Geschichte ihrer Familie in Köln recherchiert: Mit den Stolpersteinen möchten sie nun an das Schicksal ihrer Vorfahren erinnern und sie damit auch ein Stück weit wieder in ihre frühere Heimatstadt zurückkehren lassen.

Aufgrund der anhaltenden Pandemielage ist es auch in diesem Jahr jedoch nur sehr wenigen Angehörigen möglich, zur Verlegung der Steine in Erinnerung an ihre Vorfahren anzureisen.

Theresia und Adolf Isay überlebten den Holocaust dank der Hilfe von Menschen, die sie versteckten, unterstützten und ihnen damit das Leben retteten. Theresia Isay kam 1880 in Wien in einer christlichen Familie als Theresia Liederer zur Welt. Adolf Isay, 1875 in Köln geboren, stammte aus einer alteingesessenen jüdischen Kaufmannsfamilie. Sein Vater Jacob hatte zusammen mit seinem Bruder Moritz 1871 in Köln eine Großhandlung für Tücher, Woll- und Strickwaren gegründet. Nach dem Ausscheiden der beiden Firmengründer führte Adolf Isay zusammen mit seinem Bruder Siegfried und einem Cousin das Unternehmen in bester Kölner Innenstadtlage – an der Zeppelinstraße/Ecke Alte Post – fort.

Die Ehe von Theresia und Adolf Isay blieb kinderlos. Das Ehepaar lebte in Rodenkirchen in der Uferstraße 30. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde das „Geschäft für Trikot und Strumpfwaren der Brüder Isay“ 1933 in die „Wistri Gesellschaft für deutsche Wirk- und Strickwaren GmbH“ umgewandelt und wenig später unter Wert verkauft. Auch privat litten Theresia und Adolf Isay unter den Repressalien des NS-Regimes. Am 1. April 1933, dem Tag des Boykotts gegen jüdische Geschäftsleute, Ärzte und Juristen, durchsuchte eine Abordnung der SS ihr Haus in Rodenkirchen und entwendete Wertgegenstände. Am Abend des 9. November 1938, noch kurz vor Beginn des reichsweiten Pogroms, wurde Adolf Isay verhaftet. Allein der Einsatz seiner Ehefrau bewahrte ihn vor einer Deportation in das Konzentrationslager Dachau. Nur wenige Tage später drohte man ihm mit der Enteignung seines Hauses in der Uferstraße. Er verkaufte das Gebäude daraufhin an seinen Neffen Franz Weiss, und das Ehepaar zog an den Bayenthalgürtel 43.

Als ihre neue Bleibe im Juli 1943 ausgebombt wurde, begann für Theresia und Adolf Isay eine fast zweijährige Odyssee. Zunächst kamen sie bei Franz Weiss und seiner Familie in ihrem ehemaligen Haus an der Uferstraße unter, mussten die Unterkunft jedoch bald wieder verlassen, weil Adolf Isay als Jude nicht mit seinen christlichen Großnichten unter einem Dach wohnen durfte. Drei Monate lebten sie versteckt bei dem Unternehmer Carl W. Löwe in der Eugen-Langen-Straße 2 in Marienburg, bevor sie zurück in das schwer beschädigte Haus am Bayenthalgürtel zogen und sich dort bis zur endgültigen Zerstörung des Gebäudes im Sommer 1944 im Keller versteckten. Die letzten Monate bis zur Befreiung Kölns am 6. März 1945 verbrachten Adolf und Theresia Isay in getrennten Verstecken, sahen sich jedoch täglich. Nach Ende des Krieges zog das Ehepaar zurück in das Haus in Rodenkirchen. Theresia Isay starb am 10. September 1953, Adolf Isay am 14. Mai 1956.

Vor der Verlegung eines Stolpersteins werden häufig noch einmal umfassende biographische Recherchen zu den Personen durchgeführt, um z. B. ihren letzten freiwillig gewählten Wohnort und die Familienverhältnisse belegen zu können. So auch im Falle des Ehepaars Isay. Dabei stellte sich heraus, dass Adolf Isay und Dr. Arthur Isay, für den im Anschluss ein Stolperstein vor dem Haus Hauptstraße 50 verlegt wird, Brüder waren.

Mit den Gedenksteinen für Else Kreuer und zwei ihrer Kinder werden die ersten Stolpersteine in Raderthal verlegt.

Else Kreuer, geborene Meyer, kam 1891 in Nieder-Zündorf zur Welt. Ihr Vater August war Pferdehändler und betrieb in der Thieboldsgasse 47 eine Metzgerei. Sie heiratete Karl Hermann Kreuer, einen Kölner Kaufmann, der eine Großhandlung für chemische Produkte, Farben, Lacke und Öle führte. Karl Kreuer war katholisch und wurde wegen seiner Verbindung mit einer Jüdin exkommuniziert. Auch die Familien der Brautleute standen der Verbindung des Paares zunächst skeptisch gegenüber. Rasch hintereinander wurden zwei Kinder geboren: 1919 kam Edith Ruth zur Welt, 1921 folgte Helmut. Knapp sechs Jahre später, im Jahr 1927, komplettierte Beate Dorothea die Familie. In Helmut Kreuers Erinnerung war die Ehe der Eltern sehr harmonisch. Beide tolerierten und respektierten den anderen in der jeweiligen Religionsausübung.

Im Januar 1934 starb Karl Kreuer und ließ Else mit drei heranwachsenden Kindern zurück. Die Familie blieb am Markusplatz 24 wohnen, wo sie seit 1926 lebte, und Else führte das Geschäft ihres verstorbenen Ehemannes weiter. Vor den Repressalien der Nationalsozialisten blieben sie und die Kinder zunächst verschont. Else hatte sich entschlossen, Ruth, Helmut und Beate christlich zu erziehen. Bald nach dem Tod des Vaters wurden sie getauft. Ostern 1934 ging Helmut zur Ersten Heiligen Kommunion und trat in die katholische Jugend ein. Der 13-Jährige besuchte inzwischen die Mittelschule in der Trierer Straße. Er erinnert sich an erste Probleme in der siebten oder achten Klasse, weil er nicht zu den Treffen der Hitlerjugend ging und keine hinreichende Erklärung dafür hatte. Schließlich legte ihm sein Klassenlehrer nahe, die Schule zu verlassen.

Helmut begann eine Ausbildung zum Schlosser und arbeitete bis zu seiner Flucht 1944 im Betrieb eines Verwandten in der Dürener Straße. Edith Ruth war verheiratet und lebte in ihrem eigenen Hausstand.

Doch die Mitglieder der Familie Kreuer gerieten zunehmend ins Visier der Nationalsozialisten. Nachbarn denunzierten sie, und Helmut wurde mehrmals von der SA und der Kölner Gestapo einbestellt. Im Sommer 1944 entschlossen sich Else, Helmut und Beate Kreuer zur Flucht in die Schweiz. Edith Ruth blieb mit ihrem Ehemann in Deutschland zurück. Die drei Flüchtlinge versteckten sich zunächst einige Monate in einem Dorf in Baden-Württemberg, am 5.​ Dezember 1944 passierten sie die deutsch-schweizerische Grenze.

Else Kreuer starb am 11.Juni 1973 im Alter von 82 Jahren in Basel. Helmut arbeitete in seiner neuen Heimat als Busfahrer. Er starb 2012, seine Schwester Beate am 18. Oktober 2014.

An der Verlegung werden Angehörige der Familie Kreuer teilnehmen.

Die Patenschaften für die Steine haben der „Bürgerverein RADERBERG und -THAL e.V.“ sowie einzelne seiner Mitglieder übernommen

Mit den Gedenksteinen für Else Kreuer und zwei ihrer Kinder werden die ersten Stolpersteine in Raderthal verlegt.

Else Kreuer, geborene Meyer, kam 1891 in Nieder-Zündorf zur Welt. Ihr Vater August war Pferdehändler und betrieb in der Thieboldsgasse 47 eine Metzgerei. Sie heiratete Karl Hermann Kreuer, einen Kölner Kaufmann, der eine Großhandlung für chemische Produkte, Farben, Lacke und Öle führte. Karl Kreuer war katholisch und wurde wegen seiner Verbindung mit einer Jüdin exkommuniziert. Auch die Familien der Brautleute standen der Verbindung des Paares zunächst skeptisch gegenüber. Rasch hintereinander wurden zwei Kinder geboren: 1919 kam Edith Ruth zur Welt, 1921 folgte Helmut. Knapp sechs Jahre später, im Jahr 1927, komplettierte Beate Dorothea die Familie. In Helmut Kreuers Erinnerung war die Ehe der Eltern sehr harmonisch. Beide tolerierten und respektierten den anderen in der jeweiligen Religionsausübung.

Im Januar 1934 starb Karl Kreuer und ließ Else mit drei heranwachsenden Kindern zurück. Die Familie blieb am Markusplatz 24 wohnen, wo sie seit 1926 lebte, und Else führte das Geschäft ihres verstorbenen Ehemannes weiter. Vor den Repressalien der Nationalsozialisten blieben sie und die Kinder zunächst verschont. Else hatte sich entschlossen, Ruth, Helmut und Beate christlich zu erziehen. Bald nach dem Tod des Vaters wurden sie getauft. Ostern 1934 ging Helmut zur Ersten Heiligen Kommunion und trat in die katholische Jugend ein. Der 13-Jährige besuchte inzwischen die Mittelschule in der Trierer Straße. Er erinnert sich an erste Probleme in der siebten oder achten Klasse, weil er nicht zu den Treffen der Hitlerjugend ging und keine hinreichende Erklärung dafür hatte. Schließlich legte ihm sein Klassenlehrer nahe, die Schule zu verlassen.

Helmut begann eine Ausbildung zum Schlosser und arbeitete bis zu seiner Flucht 1944 im Betrieb eines Verwandten in der Dürener Straße. Edith Ruth war verheiratet und lebte in ihrem eigenen Hausstand.

Doch die Mitglieder der Familie Kreuer gerieten zunehmend ins Visier der Nationalsozialisten. Nachbarn denunzierten sie, und Helmut wurde mehrmals von der SA und der Kölner Gestapo einbestellt. Im Sommer 1944 entschlossen sich Else, Helmut und Beate Kreuer zur Flucht in die Schweiz. Edith Ruth blieb mit ihrem Ehemann in Deutschland zurück. Die drei Flüchtlinge versteckten sich zunächst einige Monate in einem Dorf in Baden-Württemberg, am 5.​ Dezember 1944 passierten sie die deutsch-schweizerische Grenze.

Else Kreuer starb am 11.Juni 1973 im Alter von 82 Jahren in Basel. Helmut arbeitete in seiner neuen Heimat als Busfahrer. Er starb 2012, seine Schwester Beate am 18. Oktober 2014.

An der Verlegung werden Angehörige der Familie Kreuer teilnehmen.

Die Patenschaften für die Steine haben der „Bürgerverein RADERBERG und -THAL e.V.“ sowie einzelne seiner Mitglieder übernommen

Anlässlich des 50. Jahrestages der Deportation von 1.000 Rom*nja und Sinti*ze aus Köln im Mai 1940 entwarf Gunter Demnig gemeinsam mit dem Kölner Rom e.V. das Konzept einer Erinnerungsspur, die an die zu dieser Zeit weitgehend vergessenen Opfer der Deportation erinnern sollte. Hierfür zog er im Jahr 1990 eine Farbspur mit den Worten „Mai 1940 – 1.000 Sinti und Roma“ quer durch die Stadt. Ausgehend vom ehemaligen Internierungslager in Köln-Bickendorf, in dem ein Großteil der Kölner Rom*nja und Sinti*ze vor der Deportation unter menschenunwürdigen Bedingungen leben musste, führte die Spur vorbei an ehemaligen Wohnorten, aber auch an zentralen Orten ihrer Verfolgung, wie etwa dem EL-DE Haus am Appellhofplatz und dem Polizeipräsidium am Waidmarkt bis zum Bahnhof Deutz, von dem aus der Deportationszug im Mai 1940 die Stadt verließ. Die Spur machte deutlich, dass die Verfolgung und Deportation vor den Augen aller stattfand, doch Gunter Demnig wurde auf seinem Weg häufig mit Aussagen von zufällig Vorbeikommenden konfrontiert, die postulierten, man habe davon nichts wissen oder mitbekommen können. Vor dem Hintergrund dieser Erlebnisse entwickelte er in den folgenden Jahren das Projekt „Stolpersteine – Hier wohnte“, mit dem er der Gesellschaft erneut vor Augen führte, dass die Ausgrenzung und Verfolgung von Menschen durch das NS-Regime vor der eigenen Haustür stattfand.

Die Farbspur verblasste mit der Zeit, nach drei Jahren stimmte der Rat der Stadt Köln jedoch zu, sie an 23 Stellen im Kölner Stadtgebiet in Messing gießen zu lassen und damit dauerhaft zu erhalten. Doch auch am Messing nagt der Zahn der Zeit, so dass der Schriftzug vor der ehemaligen langjährigen Zentrale des Vereins Rom e.V. seit einigen Jahren nicht mehr zu lesen ist.

Dieser Abschnitt wird nun neu verlegt, begleitet wird die Verlegung durch ein etwa einstündiges Programm mit Musik und Ansprachen verschiedener Vertreter*innen aus Politik und lokalen Vereinen, darunter Frau Bürgermeisterin Brigitta von Bülow und Herr Ruzdija Sejdovic vom Vorstand des Rom e.V..

Josef Stein wurde 1869 in Lechenich geboren. Er war Inhaber mehrerer Möbelhäuser in Köln. 1901 hatte er zusammen mit seinem Bruder Benedikt das Möbelhaus Gebr. Stein gegründet und war Mitinhaber und später Alleininhaber der Firma Josef Leißner. Seine Ehefrau Auguste, geborene Rosenthal, kam 1874 in Groß-Steinheim in Hessen zur Welt. Nach dem Tod von Josef Stein im Oktober 1934 zog sie zunächst zu ihrem Sohn Hugo, der mit seiner Familie am Mauritiuswall 100 wohnte. 1936 wechselte der Mehrgenerationenhaushalt in eine Fünf-Zimmer-Wohnung in der Ehrenstraße 86.

Hugo Stein, 1898 in Köln geboren, war der älteste Sohn von Josef und Auguste Stein. 1933 übernahm er von seinem Vater das Möbelgeschäft Josef Leißner, musste es jedoch drei Jahre später verkaufen. Schon 1933 hatte die Familie die ersten drei Filialen aufgeben müssen. Inzwischen gehörte ihr nur noch eine Zweigstelle in der Krebsgasse 5. Hugo Stein heiratete am 18. Juli 1923 Anna Landau. Seine Ehefrau, die 1898 in Köln geboren wurde, war eine selbstbewusste junge Frau. Ihr Vater Isidor Landau führte in der Venloer Straße 308 ein Herrenmodengeschäft, sie selber gab in der Heiratsurkunde als Berufsbezeichnung „Geschäftsinhaberin“ an. Das Ehepaar wohnte zunächst in der Takustraße in Bickendorf. Dort wurde am 11. Mai 1925 Sohn Walter Siegfried geboren. Am 18. Dezember 1929 folgte Sohn Rolf Simon.

Von 1937 an verschlechterte sich die Lage der Familie zunehmend und sie musste ihre Wohnung in der Ehrenstraße 86 aufgeben. Kurz darauf wurde die letzte Filiale des einstigen Möbelimperiums „arisiert“. Am 15. Juni 1942 wurden Auguste, Anna und Hugo Stein in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo Auguste am 26. November 1943 starb. Anna und Hugo Stein wurde am 28. Oktober 1944 weiter in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz verschleppt und dort ermordet. Ihren Söhnen Walter und Rolf war im August 1941 mit einem Kindertransport der Hilfsorganisation German Jewish Children’s Aid die Flucht in die USA gelungen.

Zu der Verlegung werden Angehörige aus den USA anreisen.

Paten sind Privatpersonen sowie das Berufskolleg Ehrenfeld, welches bereits seit vielen Jahren regelmäßig Patenschaften für Stolpersteine übernimmt.

Pressemitteilung